NEWTRITION X – Ein Rückblick
Am 12. September 2018 veranstaltete der foodRegio e.V., das Branchennetzwerk Ernährungswirtschaft in Norddeutschland, sein erstes NEWTRITION X Event. Die Veranstaltung fand in den media docks von Lübeck statt. Eine sehr angenehme Location. Ruhig gelegen, rechtsseitig konnte man den Boten an den Docks sowie das Panorama der Altbauten bewundern und in den Zwischenpausen Norddeutsche Luft sowie den Klang der Möwen folgen.
Das Veranstaltungsprogramm war mit namhaften Vertretern aus der Wissenschaft sowie Wirtschaft besetzt und wurde charmant durch Frau Prof. Dr. med. Yong-Seun Chang-Gusko moderiert und begleitet. Die Veranstaltung gliederte sich thematisch in drei Blöcke und zeigte den aktuellen Stand der Personalisierten Ernährung auf. Im ersten Block wurden die Teilnehmer in die Thematik der Personalisierten Ernährung eingeführt, im darauf folgenden über aktuelle Entwicklungen innerhalb unserer Gesellschaft die nötig sein müssen, um als Katalysator zu wirken und zuletzt der dritte Part mit Einblicken in den aktuellen Stand des Wirtschaftsgeschehens, wie realisierbar ist Personalisierte Ernährung.
Die Programmübersicht mit den einzelnen Themen und Referenten sah wie folgt aus:
Block I
Nr. | Referent | Unternehmen/Institution | Thema |
1 | Peter Brabeck-Letmathe | Präsident Emeritus – Nestlé S.A. | Forschung für eine gesunde Zukunft |
2 | Prof. Dr. med. Manfred J. Müller | Universität zu Kiel | Das Evangelium der gesunden Ernährung im Zeitalter moderner biomedizinischer Forschung |
3 | Prof. Dr. Karsten Kristiansen | Universität Kopenhagen | Mikrobiom – eine Einführung |
4 | Rudi Schmidt | Asklepios Kliniken/Boermann Research | Was kann die Ernährungswirtschaft von der Personalisierten Medizin lernen? |
Block II
Nr. | Referent | Unternehmen/Institution | Thema |
5 | Prof. Dr. med. Christian Sina | Universität zu Lübeck | Personalisierte Ernährung ist heute – nicht morgen |
6 | Joana Maricato | New Nutrition Business | Personalisierung und Fragmentierung: Wo sind die Chancen? |
7 | Dr. Jo Goossens | shiftN | Eine Revolution in der Wahrnehmung der Beziehung zwischen Ernährung und Gesundheit wird die Gesellschaft tiefgreifend verändern |
Block III
Nr. | Referent | Unternehmen/Institution | Thema |
8 | Dominik Burziwoda | Perfood / MillionFriends | Welches Lebensmittel macht dich fett? Die Antwort liegt in deinem Darm! |
9 | Michael Gusko | GoodMills Innovation | Wie der Lebensmittelsektor die Zukunft der Ernährung mitgestalten kann |
10 | Achim Stephan Sam | 7NXT (ProSiebenSat.1 Gruppe) | Deutschlank – die hohe Kunst des Abnehmens |
Das Format NEWTRITION X dient zum Austausch und get-together zwischen Wissenschaft, Technikinnovationen und Branchenexperten, um die Ernährungsproblematiken der Zukunft gemeinsam zu lösen. Auch im Hinblick auf den zunehmenden Fachkräftemangel, um Fachkompetenzen zu bündeln und einen Mehrwert für alle Beteiligten zu schaffen. Trotz des hohen Wissensstands, auch in puncto Technologie, den wir aktuell in unserer Gesellschaft vorweisen, müssten eigentlich Industriekrankheiten wie Adipositas und Diabetes rückläufig abnehmen. Tun sie allerdings nicht, die Tendenz ist steigend. Man muss gemeinsam dahingehend die richtigen Fragen stellen und nach Lösungsansätzen forschen. Was sollen wir in Zukunft essen? Was ist gesund und nachhaltig? Wie muss sich die Gesellschaft entwickeln? Können Innovationen ein Schlüsselelement sein? Welchen Beitrag kann Personalisierte Ernährung dazu leisten? Einen Eindruck darüber lieferten die Beiträge:
Peter Brabeck-Letmathe – „Forschung für eine gesunde Zukunft“
Bereits im ersten Vortrag bekam man einen sehr fundierten und eindrucksvollen Einblick über die Konzepte und Ansätze innerhalb der Forschung und Entwicklung in Richtung Nutrition, Health & Wellness, bei einem der größten Lebensmittelkonzerne der Welt: Nestlé S.A. Peter Brabeck-Letmathe hatte bereits vor 20 Jahren die Vision zur Personalisierten Ernährung. Zu diesem Zeitpunkt hatte ihn keiner verstanden, da für diese Thematik noch kein Massenmarkt vorhanden war. Der aktuelle Trend in Richtung bewusste Ernährung (Bio, vegan, vegetarisch, FairTrade, …) begünstigt dahingehend die Wirtschaft.
Er zeigte auf, dass die Lebensmittelindustrie mit einem Paradigma beschäftigt ist. Einerseits sollen die Produkte genügend ausbalancierte Nährstoffe/Kalorien/Kohlenhydrate aufweisen und andererseits die Lebensqualität und Lebenserwartung eines jeden Individuums verbessern. Der übermäßige Konsum der Produkte führt allerdings durch die Überversorgung zu einer Verringerung der Lebenserwartung. Deswegen muss ein Umdenken in Bezug zur Gesundheit sowie Ernährung stattfinden. Der individuelle Wunsch nach Personalisierter Ernährung kann nicht durch Massenverarbeitung/-produktion erreicht werden. Nur über eine optimale gesunde Ernährung in Kombination mit Personalisierter Ernährungsempfehlung auf wissenschaftlicher Basis. Nestlé kooperiert dahingehend aktiv mit Wissenschaft, industriellen Partnern sowie Startups für disruptive Technologien, um die Forschung und Entwicklung in diesen Bereichen voran zu treiben, da der Komplexitätsgrad bei Personalisierter Ernährung signifikant zunimmt.
Eine bedeutende Thematik sprach er ebenso an: Bis 2050 wächst die weltweite Population prognostiziert auf 9 bis 10 Milliarden Menschen an. Man bräuchte vier Planeten um den Bedarf für natürliche Produkte und Lebensmittel zu decken. Er sieht die Politik, neben Wirtschaft und Wissenschaft, ebenso in der Pflicht, sich zu entwickeln und nicht nur nach politischen Trends agieren, sondern auf die Herausforderung in der Zukunft mit Industrie 4.0 als Werkzeug zu reagieren. Denn es müssen Lösungsansätze für folgende Problematiken entwickelt werden, in denen die Ernährung eine bedeutende Rolle spielt:
- Die immer älter werdende Population:
Bis 2050 sind zwei Milliarden Menschen mehr als 50 Jahre alt. Diese haben einen anderen Ernährungsbedarf und das Sozialsystem muss dahingehend angepasst werden. - Mangelernährung bei Müttern und Kindern:
Die Ernährung während der Mutterschaft spielt eine bedeutende Rolle nach neusten Erkenntnissen. Beispielsweise hat eine Schwangerschaftsdiabetes Auswirkungen auf das Ungeborene. Der hohe Blutzucker wirkt sich auf das Ungeborene Kind dahingehend aus, dass diese in der späteren Entwicklung metabolische Störungen aufweisen. - Überversorgung/Übergewicht:
Bereits heute ist ein Drittel der Bevölkerung schon übergewichtig. Davon allein sind 20% Chinesen, die jünger als 18 Jahre alt sind. - Allergien/ernährungsbedingte Störungen:
In den nächsten 20 Jahren sind 50% der Menschheit davon betroffen.
Gegen Ende seines Vortages begrüßte Herr Brabeck-Letmathe die Entwicklung bei der Generation Y, den Millenials, die ein neues Verständnis zur Ernährung und Gesundheit aufweisen. Sie sind mehr gesundheitsgetrieben und generieren jetzt schon eine Menge an Daten durch beispielsweise den häufigen Einsatz von Fitnesstrackern. Seine Vision sieht dahingehend aus, dass man die Schnittstelle der Medizin mit der Ernährungsbranche verbindet. Ein Projekt das in diese Richtung bereits agiert ist das von ihm vorgestellte nourish project.
Die Gesundheitsdaten mit den Ernährungs- / Lebensmitteldaten kombinieren und vernetzen. Das ist der zukünftige Weg für Personalisierte Ernährung. Allerdings stellte man sich dahingehend die Frage, wie man Industrie 4.0 und Personalisierte Ernährung verbindet, ohne zu sehr in den Privatraum einzugreifen und den Datenschutz eines Individuums zu wahren.
Prof. Dr. med. Manfred J. Müller – „Das Evangelium der gesunden Ernährung im Zeitalter moderner biomedizinischer Forschung“
Herr Prof. Dr. Med. Müller berichtete über seine Berufserfahrung als Mediziner und wie er durch seinen Vorgesetzten ins kalte Wasser geschmissen wurde und fortan als Ernährungsexperte zufällig in der Ernährungsforschung landete. Zu seinem damaligen Zeitpunkt vor 20 Jahren gab es in der Ernährungswissenschaft zwei aufgeteilte Lager: Die Biochemiker/-mediziner und die Ernährungswissenschaftler. Erstere arbeiteten nach wissenschaftlichen Grundsätzen, letztere richteten sich nach Meinungen/Erfahrungen/Dogmata von Lehrpersonen ohne wissenschaftlich fundierte Daten. Die Forschungen vom damaligen Ernährungswissenschaftler Ancel Keys, auf dessen Grundlage die Empfehlungen in der heutigen Ernährung
- wenig Fett, Zucker, Kochsalz
- viel Gemüse, Vollkornprodukte
immer noch etabliert sind, entbehren nach heutigen wissenschaftlichen Stand jegliche Konsistenz. Keine profunden wissenschaftlichen Daten in der Ernährungsepidemiologie. Falsche statistische Korrelation von Daten, die den Grundsätzen wissenschaftlichen Arbeitens widersprechen. Berücksichtigt wurde nicht, dass alle Nährstoffe miteinander korrelieren. Es gibt weitere Faktoren die man hätte beachten müssen:
- Nährstoffdichte
- Regionale Unterschiede: Mortalität, Lebensstile
- Lebensmittelquellen
- „Ernährungsqualität“ statt „Ernährungsqualität“
Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Mortalität war weiterhin zufällig. Positive Ergebnisse in Studien sind dahingehend falsch und möglicherweise sinnwidrig.
Um eine Verbesserung in der Ernährungsempfehlung zu erzielen, spielt die Qualität der Daten in der Ernährungsforschung eine entscheidende Rolle. Die Ernährungswissenschaft muss sich weiterentwickeln und für eine bessere Reputation sorgen durch:
- Randomisierte Inverventionsstudien
- Meta-Analysen
- Biochemische, physiologische, klinische Daten
- Biomarker, Surrogate oder „harte“ Endpunkte
Nach seiner Einschätzung sind die Ernährungswissenschaften nach 30 Jahren mittlerweile auf dem richtigen Weg. Es gibt viele Ernährungsepidemiologische Forschungen mit korrekten angewandten wissenschaftlichen Methoden. Weiterhin sind die Erkenntnisse seitens der Biomedizin/Biochemie auf dem Gebiet der molekularen und zellulären Ernährung gewachsen. Beide Lager können heute im Rahmen Personalisierter Ernährung einen bedeutenden Beitrag und Ergebnisse erzielen. Seiner Meinung nach war nicht alles falsch was in der Vergangenheit geforscht wurde, sondern es mussten nur die richtigen Fragen gestellt werden, um Fortschritte zu erzielen.
Prof. Dr. Karten Kristiansen – „Mikrobiom – eine Einführung“
Im dritten Vortag zeigte der Dozent zu Beginn auf, wie Mikroorganismen nach der Geburt im Darm entstehen und welche Bedeutung die Mikroflora im Darm besitzt, die sich auf die Gesundheit eines jeden Individuums auswirkt. In einem Versuch wurden Bakterien identifiziert, die bei Mäusen Schizophrenie auslösen. Diese wurden isoliert und einer gesunden Maus appliziert. Nach Wachstum jener Bakterien wies die gesunde Maus die selben Symptome wie die der schizophrene Maus auf. Daraus konnte man ableiten, dass das Mikrobiom ein Indikator ist, wie „gesund“ oder die Gefahr an einer auslösenden Krankheit zu erkranken besteht. Gleichzeitig bedeutet dies allerdings auch: Jeder Mikroorganismus weist einen anderen Metabolismus auf. Wird die Darmflora mit optimalen Nährstoffen versorgt, geht es dem Menschen gesundheitlich gut. Da die Diversität des Mikrobiom bei jedem Menschen unterschiedlich ist, kann man keine einheitliche Ernährungsempfehlung für die Masse aussprechen. So unterschiedlich die Stoffwechsel der Mikroorganismen sind, umso unterschiedlich reagiert der Mensch auf die Zufuhr verschiedener Lebensmittel. Wie gesund wir letztlich sind, hängt von den kleinen in millionenfacher Ausführung vorhandenen mikrobiellen Freunden in unserem größten Körperorgan ab sowie der Ernährung. Was noch erforscht werden muss:
- Die Netzwerkinteraktion von Mikroorganismen
- Die funktionelle Charakterisierung
- Kausalitätszusammenhänge verstehen lernen
- Host-Interaktion
Rudi Schmidt – „Was kann die Ernährungswirtschaft von der Personalisierten Medizin lernen?“
Rudi Schmidt wies darauf hin, dass die Personalisierte Medizin eine alte Begrifflichkeit ist und er eher zum besseren Verständnis von „precision medicine“ redet. Die große Problematik die existiert ,ist, es gibt zwar ein target das man verfolgen kann, aber mehrere und viele Ziele. Der Grundtenor: Die Datenqualität ist entscheidend:
- Vollständigkeit
- Einheitlichkeit/Konsistenz
- Vertrauenswürdigkeit
- Aktualität
Wenn viele Daten in einer Datenbank ohne Kontrolle gesammelt werden entsteht zwangsläufig ein garbage-in-garbage-out-Prinzip. Dies tritt häufig ein, wenn es zu einer hohen Anzahl unterschiedlicher Variablentypen und Klassen kommt (Alter, Geschlecht, Ernährung, Immunsystem, Metabolismus, Mikrobiome, glykämischer Index, …). Dahingehend steht man später vor einem signal-to-noise-Problem. Man benötigt das Wissen, wie man Echtzeitdaten mit Rauschen sammelt und handhabt, um eine regulierte Datenqualität für künstliche Intelligenz zu schaffen.
Von Seiten der Medizin kann man heute keine genauen Aussagen treffen wegen fehlender Datenintegrität und fehlender korrekter und standardisierter Daten. Dahingehend wurde ein Neustart zur Generierung von Daten nach einem einheitlichen Standard initiiert.
Prof. Dr. med. Christian Sina – „Personalisierte Ernährung ist heute – nicht morgen“
Eindrucksvoll zeigte Prof. Dr. med. Sina in seinem Vortrag auf, wie man sein eigenes Biofeedback durch bewusste Ernährung steuern kann, wenn man durch den Einsatz Personalisierter Ernährungstools auf seinen Körper und seine Form der Ernährungszufuhr achtet. Dass dem Mikrobiom eine bedeutende Rolle zukommt, bekräftigte er ebenfalls. Im Pharmabereich wirkt schließlich auch nicht jedes Medikament bei jedem Menschen gleich. Ebenso verhält es sich in Analogie bei Lebensmitteln. In der Vorstellung seiner empirischen Forschungsergebnisse mit einem schmerzfreien Blutzuckermessgerät, einem runden Sensor den man auf seine Haut klebt und dieser kontinuierlich den Blutzuckergehalt misst, konnte er in seiner Forschungsgruppe verschiedene „Nutritypen“ clustern. Beispielsweise zeigte er auf, dass unterschiedliche Probanden unterschiedliche „Brottypen“ sind. Bei dem einen sorgte Weißbrot für einen kontinuierlichen Blutzuckerspiegel, bei dem anderen sorgte dies für einen Peak mit anschließendem Abfall unter der persönlichen Blutzuckergrenze die „Hunger“ signalisiert und vice-versa auch bei Vollkornprodukten. Es gab auch „gemischte“ Brottypen, die beides gut vertrugen. In der Forschung wird dahingehend noch der Frage nachgegangen welchen entscheidenden Einfluss die Mikroflora im Darm hat und welche mikrobiellen Netzwerke für einen optimalen Aufschluss von Lebensmitteln für eine optimale Ernährung/Gesundheit sorgen. Zu diesem Zweck wurde zur Finanzierung der Forschung das Startup Perfood/MillionFriends gegründet.
Joana Maricato – „Personalisierung und Fragmentierung: Wo sind die Chancen?“
Konsumenten wollen die Kontrolle zurück über das was sie kaufen, essen und tun. Der einfache Zugang zu Informationen und Technologien begünstigt die Fragmentierung in der Vertrauensfrage über Lebensmittel beziehungsweise über das was wir essen. Doch welche Faktoren waren ausschlaggebend für diese Entwicklung. Frau Maricato führte folgende Aspekte an:
- Mangel an Vertrauen in Experten
Die Ernährungsempfehlungen haben sich in den letzten 15 Jahren rasant geändert, weswegen der Konsument skeptisch bei Expertenmeinungen geworden ist. Sie warten nicht länger auf wissenschaftliche Neuigkeiten. Durch den schnellen Zugang zu Information machen sie ihre eigenen personalisierten Entscheidungen in puncto Ernährung. - Mangelnde Glaubwürdigkeit
- Komplexe multifaktorielle Beziehungen zwischen Ernährung/Gesundheit/Umwelt
- Datensicherheit
- Handelspraxis
Wie könnten Unternehmen auf den Individualisierungs- und Einzigartikeitswunsch der Konsumenten nach ihrer Meinung reagieren, um maßgeschneiderte und nicht zu sehr verallgemeinerte Produkte anzubieten? Eine herausfordernde Aufgabe für Unternehmen:
- Investition in „tech“-Services (u.a. DNA-Tests, Mikrobiomtests) ist der einfachste Part, aber immer noch eine Nischenposition
- Fokussierung auf Nahrungsergänzungsmittel – Einfach zu reformulieren/personalisieren als Lebensmittel/Getränke
- Ein Portfolio von Marken erzeugen, die sich sehr fein und spezifisch dem immer mehr fragmentierten Endverbrauchermarkt anpassen
Personalisierung bedeutet für den Kunden, dass das Produkt sich nach seinem Verlangen nach Einzigkartigkeit plus maßgefertigter Lösung anpasst. Massenware interessiert ihn nicht, er trifft die alleinige Entscheidung über Gesundheit und Ernährung.
Dr. Jo Goossens – „Eine Revolution in der Wahrnehmung der Beziehung zwischen Ernährung und Gesundheit wird die Gesellschaft tiefgreifend verändern“
Damit sich Personalisierte Ernährung durchsetzen kann, ist ein entscheidender gesellschaftlicher Wandel von Nöten. Im momentanen Zustand wird von allen Seiten Druck ausgeübt bzw. werden wir davon in unserem Handeln, auch in unserer Art der Ernährung, beeinflusst: digitale Revolution, Umwelt, Klimawandel, steigende Kosten des Gesundheitssystems, Ressourcenknappheit, starkes Populationswachstum, Medien, Behörden und viele weitere mehr. Gesellschaftliche Drücke können zu Lebensgewohnheiten werden. Dr. Goossens zeigte auf, dass diese einen negativen Einfluss auf die Grundgesamtheit der Gesellschaft und letztendlich die Volkswirtschaft schwächen kann. Damit sich Personalisierte Ernährung durchsetzen kann muss man sich von alt eingesessenen Dogmen bezüglich Ernährung und Gesundheit geistig lösen und auf alte Werte von Ernährung und Lebensmitteln zurück fokussieren:
- Qualität
- Verfügbarkeit
- Bezahlbarkeit
- Nachhaltigkeit
Zusätzlich muss man diese mit den persönlichen Zielen und Präferenzen eines Individuums verknüpfen und berücksichtigen:
- metabolisches Level (phäno/genotyp)
- individuelles Level (Nahrungsaufnahme, Lebensmittelpräferenzen, Lifestylepräferenzen)
- Personalisierte Ernährung (Interface, Feedback, Präferenzen, psycho-soziale Faktoren)
Dominik Burziwoda – „Welches Lebensmittel macht dich fett? Die Antwort liegt in deinem Darm!“
Herr Burziwoda berichtete von dem aus der Universität zu Kiel ausgegründeten Startup Perfood, dass das Lifestyle-Produkt „MillionFriends“ im Rahmen der Personalisierten Ernährung anbietet. Es knüpfte an den Vortrag von Herrn Prof. Dr. med. Sina an. Das Produkt funktioniere dahingehend mit einer glykozentrischen Analyse der Lebensmittel in Kombination mit der Analyse des Darmmikrobioms. Die Kunden führen über 14 Tage hinweg ein Ernährungstagebuch, in dem sie alle 2 Stunden ein Lebensmittel zu sich nehmen und der Glukosesensor des Blutzuckermessgeräts die Reaktion daraufhin misst. Sendet man den Datenchipsensor inklusive Stuhlprobe ein, dauert es circa 10 Wochen bis man eine konkrete Personalisierte Ernährungsempfehlung erhält. In dieser Ernährungsempfehlung wird aufgezeigt welche Lebensmittel „top“ oder „flop“ sind, sprich wie das Mikrobiom daraufhin am besten reagiert. Schlechte Lebensmittel kann man dahingehend innerhalb seiner Ernährung ersetzen oder in einem fertigen Gericht durch den erhöhten Einsatz guter Lebensmittel kombinieren.
Michael Gusko – „Wie der Lebensmittelsektor die Zukunft der Ernährung mitgestalten kann“
Zweifelsohne war dies eine der schnellsten, spannenden und sehr lebendigen Präsentation mit einer Menge an Zahlen, Daten und Faktoren wohin die Reise mit der Personalisierten Ernährung aus Sicht der Wirtschaft geht. Leider zu schnell zum Mitschreiben. Besonders beeindruckt hat mich dahingehend der Selbstversuch des Kooperationspartners von MillionFriends, dass sich der maximale Glucoseindex von Herrn Gusko zu Beginn mit einem Wert von 180 und nach einem halben Jahr durch die Personalisierte Ernährungsempfehlung auf 140 gesenkt hat. Bedeutsam fand ich auch die Anwendungsentwicklung im Bereich der Müllerei für höherwertige, ballaststoffreiche Mehle, die in der Back- und Süßwarenbranche mit ziemlicher Sicherheit zukünftig eingesetzt werden, um den Health Claim der Produkte zu erhöhen und zu verbessern.
Achim Stephan Sam – „Deutschlank – die hohe Kunst des Abnehmens“
Kein klassischer Vortrag in diesem Sinne. Dies war ein sehr angenehmer Ausklang des Symposiums in Form eines kurzen komödiantischen anekdotischen Vortrages im Bereich der Ernährung. Es dauerte eine Weile bis sich das Symposium darauf einstellen konnte, da man am Ende des Tages mit der Flut an neuen Information beschäftigt war.
Summa summarum
Eine gelungene Premiere die einen umfassenden Einblick aus Wissenschaft und Wirtschaft in die Thematik der Personalisierten Ernährung gegeben hat. Das Angebot von MillionFriends werde ich bei Zeiten mit Sicherheit auch testen, um mehr über meine Darmmikrobiom zu erfahren. Mein persönlicher Tipp und bitte vormerken: Die foodRegio veranstaltet als Kooperationspartner mit der Anuga in 2019 auf dem Messegelände Köln einen zweiten Innovationsgipfel des NEWTRITION X – Formats. Vielleicht sieht man sich ja ebenso vor Ort?